Inspirirende Personen: Thorsten Langer & Judith Gebauer

im Interview

Langzeitnachsorge von Krebsüberlebenden wurde in Deutschland lange nur eher halbherzig verfolgt – von ihnen allerdings nicht: Judith Gebauer & Thorsten Langer vom Uniklinikum Schleswig-Holstein. Die beiden Mediziner haben sich auf Langzeitnachsorge von ehemaligen Krebspatient*innen spezialisiert und leiten unter anderem das bundesweite “LE-Na“-Projekt, welche das Ziel hat, die Versorgung von Menschen, die als Kinder oder Jugendliche an Krebs erkrankt warenzu verbessern. In unserem Interview erzählen sie, wie sie in dem Thema ihre medizinische Berufung gefunden haben und warum es ihnen so am Herzen liegt. Beide betonen im Gespräch die Bedeutung der kontinuierlichen Betreuung von Krebsüberlebenden und diskutieren die Meilensteine und Herausforderungen der Langzeitnachsorge in Deutschland. 

 Langzeitnachsorge ist ja ein Thema, dass euch beiden sehr am Herzen liegt und ein Bereich, in dem ihr inzwischen einige Jahre arbeitet. Wie seid ihr denn zu dem Thema gekommen bzw. wann seid ihr das erste Mal über das Thema gestolpert? 

JG: Meine erste Stelle direkt nach dem Studium beinhaltete den Aufbau einer Langzeitnachsorgesprechstunde bei uns im UKSH, Lübeck sowie die wissenschaftliche Auswertung eines Projektes zu Spätfolgen nach einer Krebserkrankung. Ehrlicherweise hatte ich von diesem Bereich zuvor noch gar nichts gehört, aber die Arbeit im Team und mit den Überlebenden hat mir so viel Spaß gemacht, dass ich dabei geblieben bin. 

TL: Auch auf meiner ersten Stelle in der Kinderklinik Erlangen arbeitete ich schon in der Arbeitsgemeinschaft Spätfolgen (Leiter Prof. Dr. J.D. Beck) unserer Fachgesellschaft GPOH am Thema „ZNS Toxizität nach einer ALL Behandlung“, dem Aufbau des Late Effects Surveillance System (LESS) bei den Sarkompatienten und an einheitlichen Nachsorgeplänen, -empfehlungen, Leitlinien zum Thema Childhood Cancer Survivorship“. Diese Projekte wurde damals alle in der Pädiatrie durchgeführt und eine Transition gab es noch nicht. 

 

Und warum ist für euch das Thema wichtig? (vll auch warum ist das Thema aus kinderonkologischer Sicht bzw. internistischer Sicht so wichtig)? 

JG: Durch die Fortschritte in der Behandlung krebskranker Menschen in den letzten Jahrzehnten können immer mehr Menschen von Krebs geheilt werden. Gleichzeitig sind einige dieser Überlebenden von Spätfolgen der damaligen Behandlung betroffen. Es ist daher von großer Bedeutung, diese wachsende Gruppe nicht alleine zu lassen, sondern sie kontinuierlich und ohne Bruch in der Versorgung von der Akut- in die Langzeitnachsorge zu begleiten. 

TL: Dem kann ich mich nur anschließen: wenn unsere krebskranken Kinder in das Erwachsenenalter gekommen sind, ist eine Nachsorge-Versorgungslücke aufgetreten, die wir schließen mussten. Auch die psychosoziale Betreuung in der Nachsorge musste etabliert und ausgebaut werden, für Kinder, Jugendliche und für heute erwachsene ehemals krebskranke Kinder. 

 

Was sind eurer Meinung nach die größten Meilensteine im Bereich der Langzeitnachsorge? Was hat sich in den letzten Jahren/Monaten in dem Bereich getan? 

JG: Eine ganz wichtige Entwicklung ist die Schaffung weltweit gültiger Nachsorgeempfehlungen, die regelmäßig aktualisiert werden. Hierdurch kann Langzeitnachsorge zwischen den Ländern harmonisiert werden. Spannend wird nun im nächsten Schritt, diese Empfehlungen noch individueller an den/ die jeweilige/n Überlebende/n anzupassen. Hierzu werden neue Biomarker untersucht, um die Nachsorge noch passgenauer abzustimmen. 

TL: Dies sehe ich genauso. Gleichzeitig sind wir noch auf der Suche nach den (molekularen) Ursachen von den neuen Erkrankungen/ Spätfolgen.  

 

Wie seht ihr den Stand der Langzeitnachsorge in Deutschland? Und wo gibt es noch Verbesserungbedarf? 

JG: Durch den Zusammenschluss aller Langzeitnachsorge anbietenden Zentren in Deutschland im Rahmen zweier großer Projekte (AELKI bis 18 Jahre, LE-Na ab 18 Jahre) können wir mittlerweile eine fast flächendeckende Struktur an Nachsorgezentren bundesweit anbieten. Es fehlt allerdings weiterhin an personellen, finanziellen und räumlichen Ressourcen, um die Zentren weiter auszubauen und perspektivisch auch Überlebende einer Krebserkrankung im jungen Erwachsenenalter mitzuversorgen. 

TL: Der Ausbau der psychosozialen Nachsorge darf nicht nur von den lokalen Förder-/ Elternvereinen finanziert werden. Finanzierungsmöglichkeiten über den Spitzenverband der GKV werden zunehmend befristet genutzt. An der Entfristung muss gearbeitet werden. 

“Onkologische Langzeitnachsorge ist nicht nur die Überwachung des körperlichen Wohlbefindens, sondern auch die fortwährende Unterstützung der Seele – eine Balance aus medizinischer Präzision und menschlicher Fürsorge.“


Prof. Dr. Thorsten Langer

Thorsten Langer und Judith Gebauer sind zentraler Bestandteil  der Lang-zeitnachsorgesprechstunde am Universitätsklinikum Schleswig Holstein in Lübeck. Insbesondere Prof. Langer gehört zu denjenigen in Deutschland der seit Jahren sich für eine Verbesserung der Langzeitnachsorge von Survivor einsetzt.