Fokus-Thema

Langzeitnachsorge

Im Fokus-Thema legen wir das Augenmerk stets auf ein konkretes für Survivor relevantes Thema – dieses Mal Langzeitnachsorge. Die Langzeitnachsorge beschäftigt nicht nur viele Survivor, sondern auch viele Ärzte und Ärztinnen. Um etwas Licht ins Dunkel zu bringen, haben wir hier die wichtigsten wissenschaftliche Daten und Fakten dazu aufbereitet. Denn je besser wir über unsere Krankheit und unsere Risiken informiert sind, umso besser und gesünder können wir leben. Die Fakten machen deutlich, warum Langzeitnachsorge für Survivors so bedeutend ist und warum der Ansatz interdisziplinär sein muss.

In Deutschland erkranken pro Jahr ca. 2300 Kinder und Jugendliche an Krebs. Trotz guter Langzeitüberlebensraten von ca. 80 % treten bei vielen Langzeitüberlebenden Therapie-assoziierte Spätfolgen – auch Jahrzehnte nach Beendigung der Therapie – auf. So sind 30 Jahre nach Therapieende zwei Drittel der Patient*innen von Spätfolgen betroffen. 

Um diese und weitere Spätfolgen, sowie Rückfälle der eigentlichen Krebserkrankungen frühzeitig zu entdecken und zu behandeln, bedarf es interdisziplinärer Nachsorgeprogramme. 

Aber warum muss es diese interdisziplinären Langzeitnachsorgeprogramme geben? 

  1. Die Spätfolgen betreffen viele verschiedene Organsysteme6 und damit muss eine große Bandbreite der medizinischen Fachdisziplinen an der Nachsorge beteiligt sein. Zudem handelt es sich um kinderonkologische Grunderkrankungen, die an für sich schon als seltene Krankheiten definiert sind. Die damit verbundenen therapie- und krankheitsbedingten Spätfolgen sind damit noch seltener und zudem komplex, sodass die Erkennung und Behandlung dieser Spätfolgen an spezialisierten Zentren erfolgen sollte. Grundsätzlich unterscheiden sich die Krankheitsbilder und auch die Therapiepläne von denen in der Erwachsenenonkologie. Auch die Spätfolgen bzw. die Relevanz dieser ist in der Patient*innengruppe der ehemals im Kindes- und Jugendalter erkrankten Patienten anders als in der Erwachsenenonkologie zu bewerten.

  2. So betreffen etwa Fragen zur Fruchtbarkeit nach einer Krebsbehandlung vor allem jüngere Patient*innen. Auch Spätfolgen, wie therapiebedingte Krebserkrankungen, die teils 30 oder 50 Jahre nach Beendigung der Therapie auftreten, haben in einer insgesamt jüngeren Patientengruppe eine höhere Relevanz.

  3. Fragen zur Erwerbsfähigkeit beispielsweise nach Hirntumorerkrankungen spielen in der Gruppe der ehemals in der Kinderklinik behandelten Patient*innen im Verhältnis eine deutlich größere Rolle, da gerade diese Patient*innen am Anfang ihrer beruflichen Karriere bereits mit Einschränkungen zu kämpfen haben. Dies macht die besondere Expertise von Fachleuten in dem Feld der Kinderonkologie nötig.

  4. Da es sich bei den Spätfolgen vornehmlich um Erkrankungen des Erwachsenenalters handelt und die Ziel-Patientengruppe grundsätzlich auch erwachsen ist, muss zudem die Beurteilung durch Erwachsenenmediziner*innen stattfinden. Neben den körperlichen Spätfolgen leiden viele Survivor an psychischen Spätfolgen, gerade Depressionen treten auch viele Jahre nach Ende der Therapie auf7. Durch die psychischen und körperlichen Einschränkungen benötigen viele Survivor auch sozialrechtliche Unterstützung, um eine regelrechte Teilhabe am gesellschaftlichen Leben, wie zum Beispiel den Einstieg in die Arbeitswelt, bestmöglich zu gestalten.

In Deutschland leben im Moment ca. 40 000 Survivor und aufgrund der Heilungsraten bei Krebs im Kindesalter von ca. 80 % kommen jedes Jahr Hunderte dazu. Es gibt in ganz Deutschland aktuell 10 multidisziplinäre Langzeitnachsorgezentren, wie sie oben im Text gefordert werden, weitere Sprechstunden sind noch im Aufbau. Allerdings werden aktuell nur rund 1000 Survivor regelmäßig durch ein Langzeitnachsorgezentrum betreut! 

Schlussendlich wollen wir uns als AK Survivor für eine bessere Verfügbarkeit von solchen Langzeitnachsorge-Sprechstunden einsetzten, damit jeder Survivor in seiner oder ihrer Nähe betreut und begleitet werden kann. Gleichzeitig wollen wir dafür sorgen, dass die Angebote zur Langzeitnachsorge noch bekannter werden, damit mehr Survivor sie in Anspruch nehmen können. Wenn ihr Fragen zum Thema habt, eure Ideen einbringen wollt oder euch auch für eine bessere und flächendeckendere Langzeitnachsorge einsetzten wollt, dann meldet euch gerne bei uns! 

Literatur:

  1.  McLoone JK, Chen W, Wakefield CE, Johnston K, Bell R, Thornton-Benko E, Cohn RJ, Signorelli C. Childhood cancer survivorship care: A qualitative study of healthcare providers’ professional preferences. Front Oncol. 2022 Oct 4;12:945911. doi: 10.3389/fonc.2022.945911. PMID: 36267959; PMCID: PMC9577072
  2.  Kinderkrebsregister, 2019
  3. Oeffinger, K., et al., Childhood Cancer Survivor: chronic health conditions in adult survivors of childhood cancer. N Engl J Med, 2006(355): p. 1572-1582.
  4. Armstrong, G., et al., Late mortality among 5-year survivors of childhood cancer: a summary from the Childhood Cancer Survivor Study. Clin Oncol, 2009(27): p. 2328-2338.
  5. Bhakta, N., et al., The cumulative burden of surviving childhood cancer: an initial report from the St Jude Lifetime Cohort Study (SJLIFE). Lancet, 2017.
  6. Judith Gebauer, Sarah Rieken, Sonja Schuster, Birgit Hahn, Niklas Gebauer, Norbert Meidenbauer, Georg Brabant, Markus Metzler, Thorsten Langer; Multidisciplinary Late Effects Clinics for Childhood Cancer Survivors in Germany – a Two-Center Study. Oncol Res Treat 27 July 2018; 41 (7-8): 430–436. https://doi.org/10.1159/000488203
  7. Lee, Ainsley Ryan Yan Bin et al. “Lifetime Burden of Psychological Symptoms, Disorders, and Suicide Due to Cancer in Childhood, Adolescent, and Young Adult Years: A Systematic Review and Meta-analysis.” JAMA pediatrics vol. 177,8 (2023): 790-799. doi:10.1001/jamapediatrics.2023.2168
  8. Weitere Infos findest du hier: nachsorge-ist-vorsorge.de
  9. UKSH News Langzeitnachsorge